Eine dreijährige Zusammenarbeit mit dem Beethoven Orchester Bonn bot zwischen 2004 und 2006 Gelegenheit für regelmäßige experimentelle Begegnungen zwischen Orchestermusiker*innen und Kindern. In mehreren ergebnisoffenen Kompositionsprozessen entstanden neue Klangkörper und Besetzungen, die sich aus Profis und Laien, Geräuschinstrumenten und klassischem Orchesterinstrumentarium zusammensetzten.
Dabei lernten alle von allen: Für die beteiligten Schüler:innen und Lehrer:innen wurde jede Begegnung mit dem Orchester zu einem echten Abenteuer. Die Musiker*innen des Orchesters wurden in Improvisation und Vermittlung geschult und lernten eine für sie völlig neue dialogische Arbeitsweise kennen. Und auch mein eigenes Komponieren veränderte sich: Bis dahin hatte ich entweder für Profis oder für Laien komponiert. Hier aber galt es, inklusive musikalische Formen zu finden, mit denen die beteiligten Kinder und Jugendlichen nicht über- und die Profis nicht unterfordert waren.
für Kammerorchester, Kinderorchester und Geräuschorchester (2005)
Uraufführung: 13. Juni 2005, Integrierte Gesamtschule Bonn-Beuel im Rahmen des Rheinischen Musikfestes Bonn. Musiker des Beethoven Orchesters Bonn; Schülerinnen und Schüler.
Die “Wassertropfensinfonie” ist ein kompositorisches Konzept, das gezielt auf einen engen Dialog zwischen Schülerinnen und Schülern auf der einen Seite, professionellen Orchestermusikern auf der anderen Seite zugeschnitten ist. Das Stück beschreibt programmatisch die Reise eines Wassertropfens durch verschiedene Aggregatzustände, vom Grundwasser über die Quelle, Bach und Fluss bis zur Regenwolke. Das Stück ist keine abgeschlossene Komposition, sondern eine Materialsammlung von kleinen Patterns (=“Wassertropfen”) und Improvisationsanleitungen, aus denen in einem dialogischen Prozess zwischen Orchestermusikern und Schülern Schritt für Schritt ein gemeinsames Stück entsteht.
für Orchestermusiker und mehrere Schulklassen (2006)
Uraufführung: 1. Juni 2006, Aula der Berthold-Brecht-Gesamtschule, Bonn-Tannenbusch. Projektauftrag des Beethoven Orchesters Bonn.
Grundschüler der Paulusschule in Bonn-Tannenbusch und Musiker des Beethoven Orchesters Bonn haben gemeinsam ein riesiges Orchester gegründet. Mit dabei sind äußerst ungewöhnliche Instrumente: Gießkannentrompeten und Einsaitgeigen, Plastikschlauchoboen und Papierbögen, Heulschläuche und Flötenmundstücke. Das Feld-, Wald- und Wiesenorchester ist vor allem ein Geräuschorchester, aber es macht beileibe nicht nur Lärm. In drei intensiven Workshoptagen haben die mitwirkenden Schülerinnen und Schüler von den Profimusikern des BOB gelernt, ihre selbstgebauten Instrumente richtig zu handhaben und eigene musikalische Ideen entwickelt, aus denen Projektleiter Bernhard König kleine Miniaturen komponiert hat.
Da musikalische Früherziehung immer häufiger von Schulen und Eltern vernachlässigt wird, hielt ich das Projekt für absolut sinnvoll und notwendig. Sicherlich können wir als hauptberufliche Orchestermusiker nicht den Instrumentalunterricht ersetzen. Aber mit dieser Art von Projekten losgelöst von der Fähigkeit, ein Instrument zu beherrschen und damit eine Gleichheit unter den Kindern schaffend – erreichen wir „alle” Kinder und können so die Neugier für Musik, Klänge, gemeinsames Musizieren und somit nebenbei auch für den Beruf des (Orchester-)Musikers bei allen wecken. Es war eine große Herausforderung, plötzlich weniger als Musiker, denn als Pädagoge vor 30 neugierigen Kindern zu stehen und dadurch sicherlich teils aufregender, als abends im Saal vor 2000 Menschen („Erwachsenen”) zu spielen. Die Begeisterung der Kinder „und” Lehrer hat den Sinn, Nutzen und die Notwendigkeit solcher Arbeit und Projekte nachhaltig bestätigt. Benjamin Hönle-Marttunen; Violoncello
Die kreative Arbeit mit den Kindern bereitete mir sehr viel Freude. Die Arbeit in der Schule war eine echte Herausforderung. Allerdings wurden wir mit viel Freude und Aufmerksamkeit durch die Kinder belohnt. Hermann-Josef Tillmann, Schlagwerk
Im Frühsommer letzten Jahres hatte ich die Gelegenheit mit einer Klasse des Tannenbuschgymnasiums die „Wassertropfensinfonie“ zu erarbeiten. Die Kinder waren Schüler einer Musikklasse, d.h. sie spielten alle ein Instrument. Mit großem Vergnügen reagierten sie auf unsere Vorgaben( Wassergeräusche) und erfanden neue Klänge auf dem jeweiligen Instrument , sowie auf dem reichlich vorhandenen Orffschen Schulwerk. Mich hat die Kreativität sowie das gemeinsame Arbeiten der Kinder begeistert. Nebenbei bekam die Klasse einige Kenntnisse über die Schwierigkeiten und aber auch den Spaß am Zusammenspiel vermittelt. Ich halte dieses Projekt, gerade im Hinblick auf die sozialen Aspekte des Musikmachens für sehr wichtig. Regine Kleefoot, Horn
Als sich die Kinder im Konzert nur auf die vereinbarten Zeichen verlassen konnten und ich nicht mehr helfen konnte, war ich viel nervöser als in Opernpremieren oder schweren Kammermusikkonzerten. Dafür war ich umso stolzer als alles geklappt hat. Mein Traum ist, dass beispielsweise ein Mädchen aus dem Tannenbusch durch unseren Workshop 2005 mit dem Bazillus Musik infiziert wurde. Danach hat es zuerst alle Familienkonzerte besucht, hat im Bonner Jugendsinfonie-Orchester gespielt und über unsere Patenschaft mit dem BOB zusammengearbeitet, hat in unserer Orchesterakademie gelernt, wie ein Orchester funktioniert, und hat uns im Rahmen der Förderung für junge Dirigenten auch dirigiert. Und dann, so etwa 2040, wird es zur neuen Generalmusikdirektorin der Beethovenstadt Bonn! Aber auch wenn dieses Kind nicht Musiker, sondern Tischler, Lehrer oder Anwalt wird, jedoch durch den Workshop einen Zugang zur Musik bekommen hat und weiter etwas damit anfangen kann, hat sich die Arbeit gelohnt. Henning Groscurth, Fagott
Aufeinander hören, reagieren mit elementaren Mitteln, die Kinder aus der Reserve locken, in der Gruppe aufeinander reagieren – es geht nur, wenn jeder sich beteiligt. Jeder ist wichtig, musikalische Aspekte stehen nicht im Vordergrund, dafür jedoch die Freude daran, mit wenig Mitteln schöne neue Sachen zu erleben und Fähigkeiten zu erlernen, die beim Orchesterspielen sehr wichtig sind: zuhören, sich einpassen, übernehmen, reagieren, animieren, geschehen lassen, vertrauen. Auch für mich war dieser Workshop eine schöne, anregende Erfahrung. Anna Kreipl, Flöte
Bekanntes stehen lassen, hinschauen, zuhören, lachen und staunen… All dies ist das lebendige Element Wasser in der Musik. Veronika Wehling, 1. Violine