Macht Musik einen Unterschied? Kann sie zu einem Teil von Lösungen werden? Kann sie helfen, Alltagsroutinen zu verändern? Kann sie dazu beitragen, den Klimaschutz zu einem gemeinschaftlichen Anliegen zu machen? Fünf Jahre Grundlagenforschung zu meinem Buch Musik und Klima haben mich zu der Überzeugung gebracht: Ja, sie kann! Höchste Zeit, diese Überzeugung in der Realität zu überprüfen. Höchste Zeit, es auszuprobieren.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus meinen Forschungen der letzten Jahre: Wir Musiker:innen sollten aufhören, unser Publikum zu einem klimaschädlichen Verhalten anzustiften. So lange wir versuchen, möglichst viele Menschen zum Reisen oder zum Streamen zu verleiten, machen wir die Welt nicht schöner, sondern hässlicher. Stattdessen sollten wir mehr kulturelle Verantwortung für die eigene Umgebung, den eigenen Nahbereich übernehmen. Meine persönliche Konsequenz: Ich versuche meine Arbeit so gut es geht auf einen einzigen Ort zu konzentrieren.
Bonn ist ein idealer Ort, um zu zeigen, dass der Wandel hin zu einer zukunftsfähigen und klimafreundlichen Stadt Freude machen kann. Die Bundesstadt Bonn hat sich die Freude zum Motto gemacht und will bis 2035 klimaneutral werden. Dabei spielen Kultur und Nachbarschaft eine wichtige Rolle. Diesen Transformationsprozess möchte ich, zusammen mit dem Team von Trimum und vielen örtlichen Partnern, aktiv mitgestalten.
Die ersten Schritte dieses neuen Weges konnte ich in Kooperation mit dem CTSI (International Center for Comparative Theology and Social Issues der Universität Bonn) und gemeinsam mit der Sängerin und Islamwissenschaftlerin Orainab »Ermia« Mashayekhi gehen. So haben wir 2023/24 mehrfach zu interkulturellen Feiern und Workshops eingeladen, uns unterstützend in die Aktivitäten verschiedener örtlicher Netzwerke eingebracht, das wöchentliche multireligiöse Gebet im Bonner Münster mitgestaltet und im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland eine Zukunftswerkstatt Kultur und Klimschutz durchgeführt.
Seit Ende 2024 entsteht schrittweise ein eigenes Bonner Team und eine allmählich wachsende Bonner Trimum-Community. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei die Idee der Klimaviertel.
In den Klimavierteln der Stadt Bonn kann man Klimaschutz direkt vor der eigenen Haustür erleben. Insgesamt gibt es vier Bonner Klimaviertel. Eines davon ist in Bad Godesberg angesiedelt: In einem faszinierenden Stadtteil voller liebenswerter Menschen. Diese Menschen hätten einander viel zu erzählen und könnten viel voneinander lernen – wenn sie sich nur besser kennen würden. Und an dieser Stelle kommt Trimum ins Spiel.
Klimaschutz braucht kulturelle und religiöse Vielstimmigkeit – erst recht in einem Stadtteil wie Bad Godesberg! Deshalb stehen wir hinter der Idee der Klimaviertel und wollen helfen, die kulturelle Vielfalt des Stadtteils sichtbar zu machen. Die Lieder und Geschichten des Stadtteils miteinander zu teilen – das sind erste Schritte zu einem Klima des vertrauensvollen Miteinanders.
Mehr zu unserer Arbeit in Bad Godesberg
Und wie geht es danach weiter? Wie lässt sich verhindern, dass man das Ziel wieder aus den Augen verliert, sich in Einzelprojekten verzettelt oder dauerhaft in die falsche Richtung bewegt?
Um einen Kompass für unsere künftige Arbeit zu haben, haben Alon Wallach und ich uns auf eine gemeinsame Agenda für den von uns geleiteten Trimum e.V. verständigt. Diese Agenda knüpft an die Ergebnissen unserer Zukunftswerkstätten und interdisziplinären Gespräche der letzten Jahre an. Sie zielt im doppelten Wortsinn auf einen “Klimawandel in der Nachbarschaft”: Auf ein besseres nachbarschaftliches Klima und darauf, den Klimaschutz zum nachbarschaftlichen Thema zu machen.
Mehr zur Nachbarschafts-Agenda des Trimum e.V.
Eines unserer Fernziele: Ein Begegnungsort für Klimaschutz, interreligiösen Dialog und inklusive Nachbarschaftskultur. Wir wissen nicht, ob es das “House of Bonn” jemals geben wird. Aber wir wissen, dass es gebraucht wird und tasten uns in kleinen Schritten an seine Verwirklichung heran. Gemeinsam mit dem CTSI haben wir die Idee entwickelt. Nun gilt es, Unterstützer:innen und einen geeigneten Ort zu finden.
Mehr zur Idee des House of Bonn
Für mich persönlich ist Bonn eine späte Wiederentdeckung: Anfang der 2000er Jahre war ein Großteil meiner Arbeit in Bonn angesiedelt. Hier konnte ich gemeinsam mit dem Beethoven Orchester und mehreren Bonner Schulen neue Formen der Orchesterarbeit und neue, experimentelle Orchesterbesetzungen für Kinder und Profimusiker erfinden. Von hier aus konnte ich 2004 die rheinwärts-Melodie starten lassen, die von über 1.500 Mitwirkenden den Rhein entlanggetragen wurde. Unter veränderten Vorzeichen und mit neuen Themen nach Bonn zurückzukehren – das macht auch mir Freude.